Zeitungsartikel
Schule treibt Schüler aus dem Fenster
Ein Schüler des letzten Jahrgangs am Realgymnasium XVI hat sich das Leben genommen, noch bevor die Resultate der finalen Reifeprüfung bekannt gegeben wurden. Die wiederholten Schülerselbstmorde machen die Gesellschaft hellhörig.
In der vergangenen Woche fanden die Abschlussprüfungen der Oktavaner, die Schüler des letzten Jahrgangs, am Realgymnasium XVI statt. Während acht Jahren wurden sie auf diese Prüfung vorbereitet, an welcher entschieden wird, wer den Reifetest besteht und wer nicht. Wie jedes Jahr zogen sich die Lehrer auch letzte Woche nach den Prüfungen für die Beratung der Ergebnisse zurück. Anschliessend wurden die Schüler in einen Saal gebeten, in welchem sie das Urteil erfahren sollten. Dies erlebte der betroffene Schüler jedoch nicht mehr. Er sprang in dem Moment aus dem Fenster des dritten Stockwerks, als die Schüler in den Saal gerufen wurden.
Laut einem Insider hatte der Schüler folgende Motive für seine endgültige Handlung: fehlende Wahrheit, fehlende Gerechtigkeit und fehlende Liebe. Der Vater des Schülers habe einen Herzinfarkt erlitten und sollte seitdem von jeglichem – für ihn tödlichen – Stress ferngehalten werden. Deshalb musste der Schüler seine Schulnoten gegenüber seinem Vater schönreden. Gleichzeitig habe er die Unterschrift seines Vaters gefälscht, da er aufgrund seines schwierigen Verhältnisses zu seinem Klassenlehrer mit diesem nicht über den Gesundheitszustand seines Vaters sprechen konnte. Diese Situation sei für den Schüler ausserordentlich belastend gewesen. Das schlechte Verhältnis des Schülers zu seinem Klassenlehrer war auch der Grund für die fehlende Gerechtigkeit, so der Insider weiter. Der Klassenlehrer sei eine sehr dominante Person, die seine hierarchisch höhergestellte Position auf beinahe krankhafte Weise ausnutze und sich unter den Schülern jeweils einige Opfer aussuche, welchen er mit besonderer Abscheu begegne. Der Schüler, der sich das Leben genommen hat, sei seit Beginn des Schuljahres das Lieblingsopfer des Lehrers gewesen. Der Lehrer habe dadurch die Angst des Schülers vor dem Misserfolg massiv erhöht. In Kombination mit dem Gesundheitszustand seines Vaters und den möglichen Konsequenzen seines Misserfolgs habe dies einen riesigen Druck beim Schüler erzeugt. Nach Einschätzung des Insiders war das dritte Handlungsmotiv des Schülers eine bestimmte Frau. Im siebten Jahr seien die beiden zusammen in der Klasse gewesen und hätten Gefühle füreinander entwickelt. Sie sei jedoch immer zurückhaltender und abweisender gewesen als er und als es nach den Sommerferien hiess, sie habe das Gymnasium abgebrochen, habe der Schüler sehr darunter gelitten. Sie soll ihre ehemalige Klasse noch einmal besucht haben und anschliessend wieder mehr Kontakt zum Schüler gehabt haben. Jedoch sei weder eine Beziehung entstanden noch habe sie ihm den Rücken gekehrt, was den Schüler verrückt gemacht habe. Diese drei Aspekte führten dazu, dass die Klasse am Ende des Schuljahres einen Schüler weniger zählte als zu Beginn.
Die zahlreichen Leserbriefe und die spontanen Reaktionen der Bevölkerung auf die Schülerselbstmorde zeigen deutlich, dass die Gesellschaft das Bildungswesen und die Menschlichkeit in diesem Gebiet zu hinterfragen beginnt. Als gestern ein reifer Oktavaner des Realgymnasiums XVI zum Schülerselbstmord nach einer Aussage gefragt wurde, gab er eine Antwort, die dem Reporter die Sprache verschlug. Der befragte Schüler sagte, dass er sich frage, ob die Schule den ursprünglich für reif erklärten Schüler, der aber noch vor der Ergebnisbekanntgabe Selbstmord beging, trotz der unreifen Tat auf die Liste der reifen Oktavaner aufnehmen werde. Ein interessanter Gedankenanstoss, der zur Frage führt, welche «Reife» in den acht Jahren Ausbildung am Realgymnasium XVI erlangt wird.
Bemerkung: Die Reaktionen der Gesellschaft und die Aussage des Schülers im Schluss des Textes sind erfunden.
Ein Schüler des letzten Jahrgangs am Realgymnasium XVI hat sich das Leben genommen, noch bevor die Resultate der finalen Reifeprüfung bekannt gegeben wurden. Die wiederholten Schülerselbstmorde machen die Gesellschaft hellhörig.
In der vergangenen Woche fanden die Abschlussprüfungen der Oktavaner, die Schüler des letzten Jahrgangs, am Realgymnasium XVI statt. Während acht Jahren wurden sie auf diese Prüfung vorbereitet, an welcher entschieden wird, wer den Reifetest besteht und wer nicht. Wie jedes Jahr zogen sich die Lehrer auch letzte Woche nach den Prüfungen für die Beratung der Ergebnisse zurück. Anschliessend wurden die Schüler in einen Saal gebeten, in welchem sie das Urteil erfahren sollten. Dies erlebte der betroffene Schüler jedoch nicht mehr. Er sprang in dem Moment aus dem Fenster des dritten Stockwerks, als die Schüler in den Saal gerufen wurden.
Laut einem Insider hatte der Schüler folgende Motive für seine endgültige Handlung: fehlende Wahrheit, fehlende Gerechtigkeit und fehlende Liebe. Der Vater des Schülers habe einen Herzinfarkt erlitten und sollte seitdem von jeglichem – für ihn tödlichen – Stress ferngehalten werden. Deshalb musste der Schüler seine Schulnoten gegenüber seinem Vater schönreden. Gleichzeitig habe er die Unterschrift seines Vaters gefälscht, da er aufgrund seines schwierigen Verhältnisses zu seinem Klassenlehrer mit diesem nicht über den Gesundheitszustand seines Vaters sprechen konnte. Diese Situation sei für den Schüler ausserordentlich belastend gewesen. Das schlechte Verhältnis des Schülers zu seinem Klassenlehrer war auch der Grund für die fehlende Gerechtigkeit, so der Insider weiter. Der Klassenlehrer sei eine sehr dominante Person, die seine hierarchisch höhergestellte Position auf beinahe krankhafte Weise ausnutze und sich unter den Schülern jeweils einige Opfer aussuche, welchen er mit besonderer Abscheu begegne. Der Schüler, der sich das Leben genommen hat, sei seit Beginn des Schuljahres das Lieblingsopfer des Lehrers gewesen. Der Lehrer habe dadurch die Angst des Schülers vor dem Misserfolg massiv erhöht. In Kombination mit dem Gesundheitszustand seines Vaters und den möglichen Konsequenzen seines Misserfolgs habe dies einen riesigen Druck beim Schüler erzeugt. Nach Einschätzung des Insiders war das dritte Handlungsmotiv des Schülers eine bestimmte Frau. Im siebten Jahr seien die beiden zusammen in der Klasse gewesen und hätten Gefühle füreinander entwickelt. Sie sei jedoch immer zurückhaltender und abweisender gewesen als er und als es nach den Sommerferien hiess, sie habe das Gymnasium abgebrochen, habe der Schüler sehr darunter gelitten. Sie soll ihre ehemalige Klasse noch einmal besucht haben und anschliessend wieder mehr Kontakt zum Schüler gehabt haben. Jedoch sei weder eine Beziehung entstanden noch habe sie ihm den Rücken gekehrt, was den Schüler verrückt gemacht habe. Diese drei Aspekte führten dazu, dass die Klasse am Ende des Schuljahres einen Schüler weniger zählte als zu Beginn.
Die zahlreichen Leserbriefe und die spontanen Reaktionen der Bevölkerung auf die Schülerselbstmorde zeigen deutlich, dass die Gesellschaft das Bildungswesen und die Menschlichkeit in diesem Gebiet zu hinterfragen beginnt. Als gestern ein reifer Oktavaner des Realgymnasiums XVI zum Schülerselbstmord nach einer Aussage gefragt wurde, gab er eine Antwort, die dem Reporter die Sprache verschlug. Der befragte Schüler sagte, dass er sich frage, ob die Schule den ursprünglich für reif erklärten Schüler, der aber noch vor der Ergebnisbekanntgabe Selbstmord beging, trotz der unreifen Tat auf die Liste der reifen Oktavaner aufnehmen werde. Ein interessanter Gedankenanstoss, der zur Frage führt, welche «Reife» in den acht Jahren Ausbildung am Realgymnasium XVI erlangt wird.
Bemerkung: Die Reaktionen der Gesellschaft und die Aussage des Schülers im Schluss des Textes sind erfunden.